Musiker in Zeiten von Corona – die Hamburger Salsa & Latin Jazz Band PRIMERA DIVERSIÓN

Musiker in Zeiten von Corona – die Hamburger Salsa & Latin Jazz Band PRIMERA DIVERSIÓN

Sie nennen sich PRIMERA DIVERSION, was aus dem Spanischen übersetzt so viel heißt wie „erstes Vergnügen“ – ein Wortspiel mit dem Begriff „primera division“ – der spanischen ersten Fußballliga. Es sind 17 Hamburger MusikerInnen, die sich zu einem ziemlich einzigartigen Projekt zusammengetan haben: Sie spielen lateinamerikanische Salsa und Latin Jazz im kompakten, tanzbaren Bigband-Sound. Im letzten Jahr noch war die 2016 gegründete Band gut gebucht, wie für die Altonale, den Pinneberger SummerJazz, eine Kino-Premiere mit Live-Band oder Hagenbeck’s „Tierpark in Concert“, um nur ein paar Highlights zu nennen. Doch dann kam Corona!

„Die Band ist ein Zusammenschluss von Musikern, die alle Bock auf diesen lateinamerikanischen Sound haben: Ambitionierte Amateure, Musiklehrer, professionelle Musiker, eine internationale Besetzung!“ erläutert Bandleader Oliver Curth. Ein Musiker erklärt We Love Hamburg, warum er bei PRIMERA DIVERSION mitspielt: „Kaum eine Band – insbesondere im Latin-Bereich – traut sich heute noch in dieser Größenordnung Live-Musik auf die Bühne zu bringen. Das rührt natürlich vor allem daher, dass eine professionelle Band dieser Größe heute kaum noch zu finanzieren wäre. Insofern sind die Konzerte der Band für das Publikum eine seltene Attraktion.“

Wie ist es den Musikern der Band während des Corona-Lockdowns ergangen?

Es trifft sie unterschiedlich: Alle bedauern den eingeschränkten sozialen Kontakt, den monatelangen Ausfall von Proben und Konzerten, das fehlende Publikum, das sie so oft begeistern und auf die Tanzfläche bringen konnten. Für viele, die Privatunterricht geben, bedeutet es monatelangen Komplettausfall von Unterrichtsgruppen und Einzelschülern und damit Verdienstausfall bis zu 80%. Online-Unterricht mit seinen technischen und sozialen Problemen kann den Präsenzunterricht auf Dauer nicht ersetzen. Vom Lockdown sind auch die Profis in der Band betroffen, die vorher beispielsweise regelmäßig in den derzeit pausierten Hamburger Musicalproduktionen aufgetreten sind. Glücklich, wer sich ein „zweites Standbein“ in einer anderen Branche geschaffen hatte, das nicht von der Pandemie betroffen war. Für viele brach im wahrsten Sinne ein Teil des Lebens weg. Einige Mitglieder der Band nutzen die Zeit für verstärktes Üben, Weiterbildung z.B. in Online-Technik und Homerecording. Die gesamte Produktion, Werbung und Planung verlagern sich in den Online-Bereich, „Home-Office“ eben.

Die Musiker kommen außer aus Deutschland auch aus Kuba, Kolumbien, Peru, Kanada, USA und Italien, oder haben familiäre Beziehungen zu diesen Ländern, die in Zeiten des Lockdowns teils unmöglich gemacht wurden. So liegt beispielsweise das Tanzschul-Projekt auf Kuba, das Tänzerin und Perkussionistin Almut mit ihrem kubanischen Lebensgefährten und Musiker Bernot ins Leben gerufen hat, mangels Reisemöglichkeiten seit Monaten brach.

Das „Quarantäne-Video“.

Die Band produzierte in dieser Zeit ein Video, für das die Musiker eine Ballade von Francisco Céspedes mit ihren Kameras, Handys und Laptops von ihren Wohnzimmern aus eingespielt haben: „Vida Loca” – das verrückte Leben! Das Ergebnis ist hier bei Youtube zu sehen.

Das Projekt machte den Musikern großen Spaß, ist jedoch kein Ersatz für Musik vor Publikum. Obwohl einzelne Musiker sich nach mehreren Monaten endlich wieder zu Teilproben treffen, hat die Band noch keine nachhaltige Lösung für das Probenraumproblem gefunden. Bei gutem Wetter wäre ein OpenAir-Probenort geeignet, an dem man „laut sein“ kann, aber spätestens ab Herbst bräuchte die Band eine Halle mit entsprechender Belüftung, um den erforderlichen Mindestabstand vor allem der Bläser und Sänger einhalten zu können. Dieses Schicksal teilt die Band mit mehr als 10% aller HamburgerInnen, die in der Hansestadt in größeren Chören oder Ensembles musizieren.

Bandleader Oliver Curth: „Wir können das Publikum doch nicht festbinden!“

Ein Auftritt im großen Saal des Goldbekhauses am 12. Dezember ist geplant, aber die Corona-Bedingungen sind noch völlig unklar: Die Anzahl der Zuschauer müsste begrenzt werden; zurzeit ist Tanzen auf Musikveranstaltungen noch verboten. In der Musikszene werden derweil verschiedenste Konzepte erfunden und wieder verworfen: Man hört von Konzerten in (leeren) Schwimmbecken, Autokino-Gigs, Streaming-Konzerten aus Clubs und Konzerthallen, von Konzerten mit festen Plätzen, um Abstand zu gewährleisten, oder abgetrennten „Bewegungsbereichen“ wie dem spanischen „sistema marko“, bis hin zum Desinfizieren der Zuschauer – alles schwer vorstellbar für eine große Besetzung wie der Hamburger Band PRIMERA DIVERSION mit 3 Gesangssolisten und 8 Bläsern. Am ehesten möglich scheinen Open Air-Auftritte, die aber ohne aufwendige Koordination mit verschiedensten Behörden der Hansestadt nicht zu realisieren sind – man kann halt nicht auf irgendeinem Platz „einfach losspielen“.

Die Politik ist gefragt!

Staatliche Corona-Hilfen konnten bisher nur wenige nutzen, da diese sich an hauptberuflich selbständige Musiker richten; angestellte Instrumentalpädagogen sind weitgehend ausgenommen. Mit der „Soforthilfe“ durften nur „laufende Betriebskosten“, aber keine Lebenshaltung, Miete, Krankenversicherung und entgangenen Einnahmen ausgeglichen werden. Die Hamburger „Neustartprämie“ von 2000 € ist für Musiker, die eine künstlerische Tätigkeit „erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausführen“. Musiker leben jedoch oft in einem Mix aus Selbständigkeit und Angestelltenverhältnis, wobei betriebliche und private Ausgaben nicht immer zu unterscheiden sind. Aus der Band zumindest ist niemand der staatlichen Grundsicherung anheimgefallen, die auch keine Lösung ist, denn sie „erschwert unternehmerisches Handeln und verhindert gerade in der Krise unverzichtbare Investitionen für freie Kunstschaffende unnötig“, so die ‚Allianz der freien Künste‘ in einer Stellungnahme.

Gefragt nach den Erwartungen an die Politik, fallen die Antworten ebenso verschieden aus, wie es die Musiker der Band sind: Es reicht vom achselzuckenden „Wir können es nicht ändern“ über konkrete Vorschläge (z.B. Finanzierung und Gesetzgebung zur schnellen Ermöglichung von „Open Air“-Unterricht und Konzerten) bis hin zu weitergehenden allgemeinpolitischen Forderungen wie ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘, Besteuerung der großen Konzerne, nachhaltiges Wirtschaften. Frank, der Bassist der Band, weist darauf hin, dass der jährliche Umsatz der Unterhaltungsbranche in Deutschland mehr als viermal so hoch ist wie der von Lufthansa, erstere aber nur ein Fünftel der Fördermittel erhält.

Mit Blick auf die Situation in anderen Ländern gibt Perkussionistin Sylvia, professionelle Musikerin und Privatmusiklehrerin, zu: „Ich bin jedenfalls froh, dass ich die Pandemie in Deutschland erlebe und in Hamburg.“

UPDATE 6.3.2021

Das Goldbekhaus und PRIMERA DIVERSIÓN haben unermüdlich versucht,
Live-Veranstaltungen zu planen, doch konnten alle diese
Veranstaltungen aufgrund der Entwicklung der Pandemie
nicht stattfinden. Sie wurden immer wieder verschoben:
zunächst auf Dezember 2020, dann erneut auf Februar
2021. 

Nun hoffen wir, endlich am 10.Juli 2021 den bandtypischen mitreißenden Sound von PRIMERA DIVERSIÓN im Goldbekhaus zu präsentieren. Da Tanzen dann ja leider wahrscheinlich noch immer nicht erlaubt ist, freut sich die Band Euch ein konzertantes, etwas „jazzigeres“ Programm vorzustellen. Verpasst nicht den einzigen Auftritt der Hamburger Salsa & Latin Jazz Band PRIMERA DIVERSIÓN in 2021!

Gefördert durch die Initiative Musik gemeinnützige Projektgesellschaft mbH mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.